Gefahrensituationen können tagtäglich auftreten, im privaten wie beruflichen Umfeld. Körperliche Angriffe muss niemand tatenlos erdulden. Das deutsche Recht erlaubt Notwehr.
Wer eine Tat begeht, die aus Notwehr entsteht, handelt nicht rechtswidrig.
§ 32 StGB
Weiterhin wird Notwehr dort als erforderliche Verteidigung definiert, bei der man einen rechtswidrigen Angriff auf sich selbst oder andere Personen abzuwenden versucht. Folglich darf sich jeder verteidigen, ohne dabei selbst straffällig zu werden. Doch wie weit draf man dabei gehen? Darüber entscheidet letztlich das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Was genau darunter zu verstehen ist, was erlaubt ist und mit welchen Hilfsmitteln man sich verteidigen darf.
Defintion der Notwehr
Notwehr ist die Abwehr eines gegen die eigene Person gerichteten rechtswidrigen Angriffs.
§ 227 BGB
Es ist zulässig, in Gefahrensituationen zu handeln und man macht sich dabei nicht strafbar. Wird man körperlich angegriffen, sind körperlichen Abwehrmethoden erlaubt. Dennoch hat die Selbstverteidigung auch Grenzen und nicht alle Maßnahmen sind wirklich angemessen.
Notwehr und ihre Grenzen
Um nicht selbst straffällig werden, ist es wichtig, die Grenzen der Selbstverteidigung zu kennen und einzuhalten. Wer die Grenzen missachtet, begeht eine Notwehrüberschreitung, welche strafrechtlich verfolgt werden kann.
Wenn der Täter die Grenzen der Notwehr aus Furcht, Schrecken oder Verwirrung überschreitet, wird er nicht straffällig.
§ 33 StGB
Wenn es darum geht, die Verhältnismäßigkeit der Notwehrlage einzuschätzen, werden die Umstände, während die Notwehrhaltung eingetreten ist, näher beleuchtet. Eine Notwehrsituation liegt nicht vor, wenn es noch nicht zu einem Angriff gekommen ist oder wenn der Angriff bereits abgeschlossen war.
Beispiel: Sie werden beim Vorübergehen beschimpft und angerempelt. In diesem Fall können Sie nicht mit körperlicher Gewalt reagieren. Die Attacke ist bereits abgeschlossen. Selbstverteidigung erscheint hier als unangemessen. Sie können den Angreifer allerdings zur Rede stellen. Auch das Einleiten rechtlicher Konsequenzen steht Ihnen frei. Allerdings könnte das auch zu einer Eskalation der Situation führen.
Die Intensität der Abwehrhandlung muss in einem gesunden Verhältnis zum vermeintlichen Angriff stehen.
Beispiel: Angenommen, ein hagerer Teenager macht sich an Ihrem Fahrradschloss zu schaffen. Wenn Sie mit einem Baseballschläger oder gar einem Messer auf den jugendlichen Täter losgehen, überschreiten Sie die Grenzen der Selbstverteidigung. Eine Zurechtweisung hätte hier vermutlich ausgereicht. Eine rechtswidrige Abwehr kann strafbar sein.
Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel
Hierbei handelt es sich um einen ungeschriebenen Teil unseres Rechtsstaatsprinzips. Dadurch soll sichergestellt werden, dass staatliche Maßnahmen, welche die Grundrechte der Bürger berühren, nur bei unbedingter Dringlichkeit und möglichst schonend eingesetzt werden.
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
GG Art.2 Abs. 1
Das ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip, ein Instrument zum Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit. Es gilt für alle Hoheitsakte, also für vom Staat beschlossene Anordnungen. Folglich sind alle Satzungen, Verordnungen, Gesetze und Verwaltungsakte auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen.
Bekannt ist dieses Gebot auch als „Übermaßverbot“. Der Staat soll keine härteren Maßnahmen und Sanktionen ergreifen als unbedingt notwendig. Für die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes werden im Wesentlichen folgende vier Punkte herangezogen. Staatliche Maßnahmen gelten als verhältnismäßig, wenn:
- ein legitimer Zweck verfolgt wird.
- die Maßnahme geeignet ist, um das Erreichen des Ziels zu fördern.
- die Maßnahme wirklich erforderlich ist und nicht durch einen milderen Weg ersetzt werden kann.
- die Maßnahme als angemessen betrachtet werden kann und mehr Vor- als Nachteile bietet.
Wenn einer der genannten Punkte nicht erfüllt ist, kommt dies einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gleich und die Maßnahme kann als rechtswidrig betrachtet und damit angefochten werden.
Wahl der Waffen für die Selbstverteidigung
Selbstverteidigung ist zwar bis zu einem bestimmten Maß erlaubt. Doch welche Mittel stehen nun konkret zur Verfügung, wenn es in Gefahrensituationen darum geht, Leib und Leben zu schützen? Oft ereignen sich Übergriffe unerwartet. Instinktiv wird zum Schlüsselbund, zur Getränkeflasche oder anderen Alltagsgegenständen gegriffen. Vollkommen unvorbereitet muss allerdings niemand sein sein. Folgende Hilfsmittel sind in Deutschland legal.
Reizstoff-Sprühgeräte (CS-Gas)
Reizstoff-Sprühgeräte, landläufig auch CS-Gas, genannt, darf ab einem Alter von 14 Jahren erworben und mit sich getragen werden. Eine Ausnahme stellen öffentliche Veranstaltungen dar. Das gilt allerdings nur für die Reizstoff-Sprühgeräte, die über ein amtliches Zulassungszeichen verfügen. Ansonsten ist es verboten und wird als sogenanntes Vergehen geahndet.
Tier-Abwehrspray (Pfefferspray)
Tier-Abwehrsprays, meist als Pfefferspray bezeichnet, ist nur zur Abwehr von Tieren zugelassen. Es wird vom Waffengesetz wird es allerdings nicht erfasst, womit es auch keine amtliche Zulassung braucht. Der Erwerb, Besitz und das Führen ist ohne Altersbegrenzung erlaubt.
Wichtig: Werden Personen versehentlich mit dem Reizstoff verletzt, droht eine Anzeige wegen Körperverletzung. Pfefferspray löst starke Augenreizungen aus und kann zu Verätzungen führen. Zudem wirkt das Spray zeitlich verzögert und kann, je nach Randbedingungen, auch die eigene Gesundheit beeinträchtigen.
Elektroschock-Geräte
Elektroschocker sind nicht uneingeschränkt als Waffen zur Selbstverteidigung erlaubt. In Deutschland müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Elektroschock-Gerät muss das Prüfzeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) tragen.
- Die Stärke der Geräte darf 500.000 Volt nicht übersteigen.
- Der Erwerb, Besitz und das Führen ist erst ab 18 Jahren erlaubt.
- Verbot des Führens bei öffentlichen Veranstaltungen.
Wird gegen die Altersbeschränkung verstoßen, ist das eine Ordnungswidrigkeit. Wer das gerät bei einer öffentlichen Veranstaltung dabei hat, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Elektroschocker zählen zu den effektivsten Instrumenten der Selbstverteidigung. Nicht erlaubt sind dagegen Taser und Elektroschocker, die nadelförmige Projektile aussenden.
Dulo, Kobutan, Palmstick
Als unauffälliges Mittel für die Selbstverteidigung kann der Dulo, auch Kubotan oder Palmstick genannt, als Schlüsselanhänger getragen werden. Der kleine Stab aus Metall, Holz oder Kunststoff besitzt meist ein spitzes Ende. Das Gerät wird in der geschlossenen Faust gehalten und soll mit seiner Spitze Gelenke oder Nervenpunkte des Angreifers treffen. Der Dulo ist laut Feststellungsbescheid des Bundeskriminalsamts keine Hieb- und Stoßwaffe im Sinne des Waffengesetzes (WaffG § 1 Abs. 2 Nr. 2a).
Weiterführende Infos:
Bundeskriminalamt (BKA)
Deutschlandfunk Nova
Bussgeldkatalog
Wichtig: Um nicht zu Schaden zu kommen, empfiehlt es sich, Konfrontationen zu vermeiden. Auch machen Hilfsmittel in der Selbstverteidigung nur dann Sinn, wenn sie griffbereit sind. Oder besser, wenn sie bereits in der Hand liegen. Bisweilen vermitteln diese Gegenstände aber auch eine trügerische Sicherheit. Und im schlimmsten Fall nimmt der Angreifer seinem Opfer das vermeintliche Hilfsmittel ab und verwendet dieses gegen das Opfer. Zusätzliche Info: Darüber hinaus ist es im Zuge des Hausrechts möglich, dass Veranstalter Gegenstände konfiszieren, auch wenn diese aus rechtlicher Sicht zulässig sind. Ein Dulo sollte etwa bei einem Flug nicht im Handgepäck mitgeführt werden, da es unter Umständen den Beförderungsbedingungen widerspricht.